4.4.2023

„Fit for 55“ - Zukunft oder Kostenfalle?

Aktuell kursieren gerade online viele Gerüchte in Bezug auf ein Maßnahmenpaket der EU mit dem Namen „Fit for 55“. Besonders hartnäckig hält sich in diesem Zusammenhang  das Gerücht, dass Hauseigentümer, die ihre Wohnhäuser nicht nach den neu festgelegten Standards der Energieeffizienz saniert haben, diese ab dem Jahr 2030 nicht mehr nutzen dürfen. Dies würde für die Eigentümer eine faktische Enteignung darstellen. Doch was ist dran an diesem Gerücht? Als Brockhaus Family Office möchten wir der Behauptung auf den Grund gehen und uns die Frage stellen, mit welchen Änderungen Immobilieneigentümer in Bezug auf das neue Maßnahmenpaket der EU tatsächlich in Zukunft zu rechnen haben.

Am 28. Juni 2021 wurde vom Europäischen Rat ein Europäisches Klimagesetz verabschiedet, mit der Zielsetzung der Klimaneutralisierung der EU in allen Bereichen bis zum Jahr 2050. Unter Klimaneutralität versteht man in diesem Zusammenhang, dass nicht mehr CO2 ausgestoßen werden soll als auch wieder gebunden werden kann. Außerdem sollen als Zwischenziel bis 2030 die Netto-Treibhausgasemissionen, verglichen mit dem Jahr 1990, um mindestens 55 Prozent sinken. Zur Verwirklichung dieses Zwischenziels hat die EU-Kommission im Jahr 2021 ein Paket mit Vorschlägen verabschiedet. Dieses Maßnahmenpaket nennt sich „Fit for 55“ und enthält Vorschläge unterschiedlicher Art. Als wichtige Aspekte sind in diesem Zusammenhang der Ausbau des Emissionshandelssystems sowie die beabsichtigte Steigerung erneuerbarer Energien zu nennen.

Des Weiteren hat die EU-Kommission im Rahmen dieses Pakets auch eine Änderung der EU-Richtlinie über die Gesamtdifferenz von Gebäuden vorgeschlagen. Grundlage der Änderung war die Annahme, dass Gebäude rund 40 Prozent des Energieverbrauchs innerhalb der EU und rund 36 Prozent der CO2-Emissionen verursachen. Ziel ist es daher, die Energie im Gebäudebereich effizienter zu nutzen und finanziell schwache Bewohner vor hohen Energiekosten zu bewahren.

Umsetzung des Ziels der Emissionsfreiheit

Das konkrete Ziel des „Fit for 55“ Pakets ist die Umsetzung der Emissionsfreiheit in allen Gebäuden bis 2050. Doch was bedeutet dieses Ziel künftig in Bezug auf die Sanierung von Gebäuden?

Neubauten:

Öffentliche Neubauten sollen ab 2027 und private Neubauten sollen ab 2030 als Nullemissionsgebäude errichtet werden. Das bedeutet, dass die benötigte Energie lediglich aus erneuerbaren Energiequellen oder Fernwärme-/ Fernkältesystemen bezogen werden soll.

Bestandsgebäude:

Zur Erhöhung der Sanierungsquote führt die EU eine Art Stufenplan ein, der auch für Bestandsgebäude bestimmte Standards vorgibt.

Dieser soll neue und EU-einheitliche Energieeffizienzklassen für den Energieausweis beinhalten. Dabei reichen die Energieeffizienzklassen von A bis G, wobei A für Nullemissionsgebäude und G für die am wenigsten gedämmten Gebäude gelten soll. Der Anteil der Gebäude der Klasse G beträgt nach Meinung der Kommission derzeit 15 Prozent innerhalb der EU. Zielsetzung ist es, dass Öffentliche Gebäude und Nichtwohngebäude der Klasse G bis 2027 mindestens Klasse F und bis 2030 mindestens Klasse E erreichen.

Hingegen gelten weniger strenge Anforderungen an Wohnhäuser. Wohnhäuser der Klasse G sollen bis 2030 der Klasse F und bis 2033 den Anforderungen der Energieeffizienzklasse F entsprechen. Für die Jahre bis 2055 legen die EU-Mitgliedsstaaten eigenständig weitere Schritte fest, um einen klimaneutralen Gebäudebestand mit Nullemission zu erreichen.

Demzufolge müssten die schlecht sanierten Wohngebäude der Klasse G bis zum Jahr 2033 auf den Standard der Klasse E saniert werden, wobei die Klasseneinteilung nicht dem derzeitigen deutschen Energieausweis entspricht. Erst dann werden neue Regelungskriterien seitens der EU folgen.

Drohen Enteignung und Nutzungsverbot für unsanierte Häuser?

Doch was bedeutet das „Fit for 55“ tatsächlich für die Hauseigentümer? Drohen Eigentümern tatsächlich Sanktionen oder gar Enteignungen, wenn sie sich weigern, die teuren Sanierungen vorzunehmen und auf eine Wärmedämmung verzichten?

Diesbezüglich heißt es in Artikel 31 des EU-Vorschlages:

„Die Mitgliedstaaten legen fest, welche Sanktionen bei einem Verstoß gegen die innerstaatlichen Vorschriften zur Umsetzung dieser Richtlinie zu verhängen sind, und ergreifen die zu deren Durchsetzung erforderlichen Maßnahmen. Die Sanktionen müssen, wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein.“

Nimmt man den Gesetzestext genauer unter die Lupe, wird klar, dass keine konkreten Sanktionen genannt werden. Die Durchsetzung der Maßnahmen sind vielmehr Sache der einzelnen Mitgliedsstaaten. Die EU-Kommission trifft keine Aussagen bezüglich einer Enteignung oder eines Nutzungsverbots. Solche Maßnahmen wären auch vollkommen unverhältnismäßig. „ Abschreckende“ Sanktionen wie beispielsweise Bußgelder oder steuerliche Nachteile erscheinen zur Durchsetzung der Maßnahmen realistischer.

Welche Sanktionen den Hauseigentümern jedoch konkret drohen, steht noch nicht fest. Fakt bleibt jedoch, dass sie in jedem Falle verhältnismäßig sein müssen. Eine Enteignung als ultima ratio würde hier sicherlich über das verfolgte Ziel hinausschießen.

Vorschläge des Europäischen Rats

Bei allen bisher erläuterten Punkten handelt es sich lediglich um Vorschläge, denn das Gesetzgebungsverfahren der EU ist noch nicht abgeschlossen. Der Europäische Rat, das Gremium mit Vertretern der einzelnen Mitgliedsländer, hat sich im Oktober 2022 mit folgenden Vorschlägen zum Maßnahmenpaket „Fit for 55“ geäußert:

  • Alle neunen Gebäude ab 2030 sollen Nullemissionsgebäude sein,
  • Bestehende Gebäude sollen bis 2050 in Nullemissionsgebäude umgebaut werden,
  • Bestehende Wohngebäude sollen bis 2033 der Emissionsklasse D entsprechen,
  • Bestehende Wohngebäude sollen bis 2040 einem von der jeweiligen nationalen Regierung festgelegten Wert entsprechen, um ihre Emissionen schrittweise auf Null zu reduzieren.

Die Vorschläge des Europäischen Rats stellen gegenüber den Vorschlägen der EU-Kommission für Bestandgebäude eine Verschärfung dar. 

Wie geht es nun weiter mit der Sanierung von Wohnhäusern?

Die Vorschläge werden nun von den gewählten Abgeordneten im Europäischen Parlament diskutiert. Sobald das Parlament Stellung bezogen hat, finden Verhandlungen zwischen Rat und Parlament statt, bei denen die EU-Kommission als Vermittler auftritt. Ziel der Verhandlungen ist es, einen Kompromiss auszuhandeln, der alle Seiten zufriedenstellen soll. Schließlich wird der endgültige Text der neunen Richtlinie von Rat und Parlament förmlich angenommen. In Deutschland wird dies insbesondere durch Änderungen des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) geschehen.

Zentrale Bestandteile des GEG-Entwurfes

Zur Wahrung des europäischen Ziels, die Abhängigkeit von fossilen Energien im Gebäudebereich zu überwinden, hat die Regierungskoalition im März 2022 beschlossen, dass von 2024 an möglichst jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden soll.  Allerdings wurde angesichts des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine und der dadurch verursachten Energiekrise mit dem Beschluss eine entsprechende Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag um ein Jahr vorgezogen- von 2025 auf 2024.

Das Bundesbauministerium und das Bundeswirtschaftsministerium haben den Beschluss des Koalitionsausschusses nun als gemeinsam umgesetzt und als Ergebnis den Entwurf eines Gebäudeenergiegesetzes (GEG) erarbeitet. Dieses regelt den Umstieg auf Erneuerbares Heizen. Dabei stehen die vor allem die Machbarkeit sowie die soziale Flankierung im Fokus. So setzt der Gesetzesentwurf klare Investitionsanreize und gewährleistet einen pragmatischen Übergang. Der gemeinsame Entwurf der beiden Ministerien wird in der Regierung beraten.

Bedenken

Die mediale Berichterstattung hat dazu geführt, dass viele Menschen  dem Gebäudeenergiegesetz eher kritisch gegenüberstehen. Die meisten haben Angst vor zu hohen Kosten. Hinzu kommt, dass viele aufgebracht sind, weil sie glauben, dass Gas- und Ölheizungen ab 2024 verboten würden und in Deutschland ab 2024 sofort alle knapp 19. Mio. Wohngebäude mit Wärmepumpen ausgestattet werden müssten.

Allerdings haben viele Menschen den Gesetzesentwurf nicht gelesen und kennen daher auch die Kernbotschaften des Entwurfes nicht.

Diese lauten zusammengefasst:

  1. Eine Pflicht zum Erneuerbaren Heizen existiert lediglich für den Einbau neuer Heizungen, Ausnahmen sind möglich. In Härtefällen können Eigentümer jedoch von der Pflicht befreit werden.
  2. Für irreparable Erdgas- oder Ölheizungen (Heizungshavarie), gibt es pragmatische Übergangslösungen, so dass der Umstieg auf Erneuerbares Heizen nicht sofort erfolgen muss.
  3. Die vorübergehende Regelung ist technnologieoffen, in bestehenden Gebäuden können auch weiterhin Gasheizungen eingebaut werden, wenn sie mit 65 Prozent grünen Gasen oder in Kombination mit einer Wärmepumpe betrieben werden. Es gibt also mehrere Möglichkeiten mit verschiedenen Technologien die Vorgabe für das Heizen mit erneuerbaren Energien zu erfüllen.
  4. Der Umstieg soll durch eine Förderung gerade für untere und mittlere Einkommensgruppen unterstützt werden.

Die Bedenken gegenüber dem Gesetzesentwurf zum Gebäudeenergiegesetz scheinen somit größtenteils unbegründet. Dennoch bleibt die konkrete Umsetzung des Gesetzes abzuwarten.

Das Brockhaus Family Office für Immobilien wird Sie weiterhin auf dem aktuellen Kenntnisstand halten und informiert Sie gerne darüber, wie sie Ihre Immobilie „Fit for 55“ machen können.

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